1 BGE 110 II 209 - Bundesgerichtsentscheid vom 06.07.1984

Entscheid des Bundesgerichts: 110 II 209 vom 06.07.1984

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Sachverhalt des Entscheids 110 II 209

Der Bundesgericht hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Beschwerdeführers, Markus Staub, abgewiesen. Der Erblasser Albert Eberle-Künzle hatte am 17. November 1980 seinen Nachlass verlassen und sein landwirtschaftliches Heimwesen "Schönau" an den Erben Albert Eberles verkauft. Die Veräusserung des Heimwesens war gemäss Art. 218 OR (Sperrfrist für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken) vor Ablauf der Sperrfrist vom Erblasser als Eigentumserwerb im Sinne dieser Bestimmung zu betrachten, was den Kaufvertrag zwischen Anna Eberle-Künzle und Markus Staub vom 13. September 1983 nicht erfüllte. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen hat in seiner Vernehmlassung die Beschwerde abgewiesen, da die Gesamtnachfolge kraft Erbrechts den Lauf der Sperrfrist nicht auslöse und die Veräusserung des landwirtschaftlichen Heimwesens "Schönau" nicht gemäss Art. 218bis OR (Bewilligung von Ausnahmen) gegeben sei.

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Details zum Bundesgerichtsentscheid von 06.07.1984

Dossiernummer:110 II 209
Datum:06.07.1984
Schlagwörter (i):Sperrfrist; Erben; Sinne; Bundesgericht; Kanton; Grundstück; Erblasser; Regierungsrat; Veräusserung; Heimwesen; Grundstücke; Eigentumserwerb; Gesamtnachfolge; Erbrechts; Heimwesens; Staub; Kantons; Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Spekulation; Gallen; Grundstücken; Eberle-Künzle; Schönau; Markus; Kaufvertrag; Preis; Grundbuchamt; Eidgenössische; Justiz

Rechtsnormen:

BGE: 88 I 202, 87 I 239, 83 I 313, 88 I 204 , 95 II 431

Artikel: Art. 218 OR , Art. 21 OR , Art. 218 OR , Art. 218 OR , Art. 218, 218bis und 218ter OR, Art. 103 lit. a OG, Art. 4 BV, Art. 560 ZGB

Kommentar:
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Entscheid des Bundesgerichts

Urteilskopf
110 II 209

43. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Juli 1984 i.S. Staub gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste
Art. 218 OR; Sperrfrist für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken.
Der Eigentumswechsel kraft Erbrechts setzt die Sperrfrist des Art. 218 OR nicht neu in Gang.

Sachverhalt ab Seite 209
BGE 110 II 209 S. 209
A.- Am 17. November 1980 starb Albert Eberle-Künzle. Er hinterliess als Erben seine Ehefrau Anna Eberle-Künzle sowie fünf Kinder. Im Nachlass befindet sich das landwirtschaftliche Heimwesen "Schönau", Parzelle Nr. 2147, Niederuzwil, das vom Erblasser im Jahre 1950 erworben worden war. Am 13. September 1983 schloss Anna Eberle-Künzle als Willensvollstreckerin im Namen der Erben mit Markus Staub einen Kaufvertrag ab, gemäss welchem dieser die "Schönau" zum Preis von Fr. 640'000.- erwerben sollte. Am 15. September 1983 gab das Grundbuchamt Uzwil dem Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St. Gallen vom Kaufvertrag Kenntnis und ersuchte es um Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 218bis OR gegeben seien. Mit Verfügung vom 28. September 1983 lehnte es das Volkswirtschaftsdepartement ab, die vorzeitige Veräusserung des Heimwesens zu bewilligen. Ein von Markus Staub gegen diese Verfügung eingereichter Rekurs wurde vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen mit Beschluss vom 10. Januar 1984 abgewiesen.
BGE 110 II 209 S. 210
B.- Gegen den Beschluss des Regierungsrats hat Markus Staub beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass der Verkauf des landwirtschaftlichen Heimwesens "Schönau" keiner Bewilligung gemäss Art. 218bis OR bedürfe, eventuell sei die Bewilligung gemäss dieser Bestimmung zu erteilen.
Der Regierungsrat beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde, währenddem das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement auf Gutheissung schliesst.

Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 218quater OR ist gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Anwendung der Art. 218, 218bis und 218ter OR die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig. Der Beschwerdeführer ist als Käufer des landwirtschaftlichen Heimwesens durch den angefochtenen Entscheid berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung im Sinne von Art. 103 lit. a OG. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
2. Nach Art. 218 Abs. 1 OR dürfen landwirtschaftliche Grundstücke während einer Frist von zehn Jahren, vom Eigentumserwerb an gerechnet, weder als Ganzes noch in Stücken veräussert werden. Der zwischen dem Beschwerdeführer und den Erben Albert Eberles abgeschlossene Kaufvertrag hat unbestreitbar landwirtschaftliche Grundstücke im Sinne von Art. 218 OR zum Gegenstand. Streitig ist nur, ob der mit dem Tod des Erblassers eingetretene Übergang des verkauften landwirtschaftlichen Heimwesens auf dessen Erben als Eigentumserwerb im Sinne dieser Bestimmung zu betrachten ist, der die Sperrfrist von zehn Jahren in Gang setzt. In BGE 88 I 202 ff. hat das Bundesgericht im Rahmen der Beurteilung einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV festgehalten, es sprächen gute Gründe für die Ansicht, dass die Gesamtnachfolge kraft Erbrechts den Lauf der Sperrfrist nicht auslöse; indessen könne auch die in gewissen Kantonen geübte gegenteilige Praxis, die die Zustimmung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes und eines Teils der Lehre gefunden habe, angesichts des Wortlautes des Gesetzes, der nicht zu einem vom Gesetzgeber unmöglich gewollten Ergebnis führe, nicht als völlig unhaltbar und damit als willkürlich bezeichnet werden; diese Praxis, die offenbar heute noch im Kanton Freiburg geübt wird (ZBGR 62/1981 S. 104), lasse sich
BGE 110 II 209 S. 211
immerhin insofern mit den ins Obligationenrecht aufgenommenen agrarrechtlichen Bestimmungen vereinbaren, als diese der Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes dienten.
Dennoch haben die Ausführungen des Bundesgerichts in BGE 88 I 202 ff. verschiedene Kantone veranlasst, die Gesamtnachfolge kraft Erbrechts nicht als Eigentumserwerb im Sinne von Art. 218 Abs. 1 OR zu betrachten und gegebenenfalls ihre bisherige gegenteilige Praxis aufzugeben, so Aargau (ZBl 74/1973 S. 42 gegenüber AGVE 1955 S. 281), Appenzell A.Rh. (Verwaltungspraxis 1968 Nr. 323) und Bern (Handbuch der Justizdirektion des Kantons Bern 1982, S. 23). Demgegenüber scheint der Kanton Zürich weiterhin insofern eine Sonderstellung einzunehmen, als er die Universalsukzession gestützt auf eine Erbfolge als Tatbestand ansieht, der zwar von Art. 218 Abs. 1 OR erfasst wird, der aber grundsätzlich zu einer Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 218bis OR Anlass gibt (ZBGR 38/1958 S. 117).
3. Seit der am 1. Juli 1965 in Kraft getretenen Änderung von Art. 218quater OR kann die Anwendung der Bestimmungen über die Sperrfrist bei der Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken, wie bereits gesagt, zum Gegenstand einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gemacht werden. Dessen Kognition ist daher nicht mehr wie vorher auf Willkür beschränkt. Bei einer freien Prüfung ist davon auszugehen, dass der Hauptzweck von Art. 218 Abs. 1 OR darin besteht, die Spekulation mit landwirtschaftlichen Grundstücken zu verhindern (vgl. dazu BGE 87 I 239 E. 4, BGE 83 I 313 E. 2; HOTZ, Bäuerliches Grundeigentum, ZSR 98/1979 II S. 164). Dieser Zweck verlangt jedoch nicht, dass auch die erbrechtliche Gesamtnachfolge als Eigentumserwerb im Sinne von Art. 218 Abs. 1 OR angesehen wird. Wie das Bundesgericht in dem bereits erwähnten BGE 88 I 204 dargelegt hat, tritt diese Gesamtnachfolge von Gesetzes wegen ein und lässt daher Spekulationsabsichten, d.h. dem Erwerb zum Zweck der baldmöglichsten Weiterveräusserung mit Gewinn, keinen Raum. Solche Absichten, welche ein agrarpolitisch unerwünschtes Ansteigen der Preise für landwirtschaftlich genutzten Boden zur Folge haben, sind allein beim Erblasser denkbar, der das Grundstück durch Kauf erworben hat, oder allenfalls bei einem Erben, der es bei der Erbteilung aus dem Nachlass übernimmt (vgl. BGE 95 II 431 /432 E. 3a). Bei der Gesamtnachfolge kraft Erbrechts dagegen sind die Erben nur insoweit frei, als sie die Erbschaft ausschlagen können, weshalb ihr Eigentumserwerb keine Spekulation darstellen
BGE 110 II 209 S. 212
kann. Im übrigen macht es gerade das Wesen der Universalsukzession aus, dass Rechte und Pflichten des Erblassers von den Erben unverändert übernommen werden, wenn dem nicht eine besondere gesetzliche Vorschrift entgegensteht (Art. 560 Abs. 2 ZGB). Eine solche Vorschrift ist in Art. 218bis OR, wonach die Veräusserung eines landwirtschaftlichen Grundstücks vor Ablauf der Sperrfrist namentlich zum Zweck einer erbrechtlichen Auseinandersetzung gestattet werden kann, nicht zu erblicken. Diese Bestimmung setzt nicht voraus, dass die Sperrfrist mit dem Erbgang neu zu laufen beginnt. Sie bezieht sich vielmehr auf den Fall, wo bei der Erbteilung die Sperrfrist auch unter Anrechnung der Eigentumsdauer des Erblassers noch nicht abgelaufen ist. Es besteht daher kein Anlass, die Grundsätze der Gesamtnachfolge beim Erbgang nicht auch bei der Anwendung von Art. 218 OR zu berücksichtigen. Haben aber die Erben hinsichtlich der Veräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke die gleichen Rechte wie der Erblasser, so verbietet sich die Annahme, dass der Eigentumserwerb kraft Erbrechts eine neue Sperrfrist im Sinne von Art. 218 Abs. 1 OR auslöse.
4. Der Regierungsrat stützt seine abweichende Auffassung auf eine Meinungsäusserung des Eidgenössischen Grundbuchamtes vom 16. April 1953, die in ZBGR 37/1956 S. 61 publiziert worden ist. Er übersieht dabei, dass die Ausführungen des Bundesgerichts in BGE 88 I 202 ff. das Grundbuchamt veranlasst haben, seinen bisherigen Standpunkt aufzugeben (ZBGR 55/1974 S. 307 ff.). Wenn der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung ferner darauf hinweist, dass Erbengemeinschaften vielfach keine Beziehung zum landwirtschaftlichen Boden mehr hätten und nur noch an der Erzielung eines hohen Verkaufspreises interessiert seien, so kann daraus hinsichtlich des Beginns der Sperrfrist nichts abgeleitet werden. Ist die Zehnjahresfrist seit dem käuflichen Erwerb durch den Erblasser abgelaufen, so hätte auch dieser das Verbot des Art. 218 OR nicht mehr beachten müssen, wenn er sich mangels eines geeigneten Nachfolgers in seiner Familie zu einer Veräusserung des Heimwesens entschlossen hätte. Der dabei erzielte Preis wäre unbeachtlich gewesen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers schliesst eben der Ablauf der Zehnjahresfrist eine Spekulation zum vornherein aus. Sollte der Gesetzgeber zur Ansicht gelangen, diese Annahme entspreche nicht mehr den heutigen Verhältnissen, so hätte er dem im Rahmen der eingeleiteten Gesetzesrevision Rechnung zu tragen.
Die Beschwerde erweist sich somit offensichtlich als begründet.

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